Aromatherapie für Pferde: Sanfte Hilfe bei Stress, Ängsten & körperlichen Beschwerden

Ein Beitrag von Cindy Kuhn | Aromatherapie für Tiere

Ob zur Unterstützung bei körperlichen Beschwerden, zur Förderung der psychischen Gesundheit oder zur Stabilisierung des emotionalen Wohlbefindens: Die Aromatherapie für Pferde ist ein wahrer Schatz – wenn man weiß, wie man sie richtig einsetzt.

In meiner Arbeit als Pferdetherapeutin und in den Präsenzkursen meiner Ausbildung erlebe ich immer wieder, wie tiefgreifend und nachhaltig, fachgerecht ausgewählte und individuell angewendete Düfte wirken können. Dabei geht es nicht um „ein bisschen Lavendel“, sondern um das Zusammenspiel von Duft, Wirkung und Anwendungsmethode – abgestimmt auf jedes einzelne Pferd.

In diesem Artikel möchte ich dir einen Einblick in die Möglichkeiten der Aromatherapie für Pferde geben: Was sie ist, wie sie wirkt und was es unbedingt zu beachten gilt – für eine sichere und verantwortungsvolle Begleitung unserer Pferde.

Was ist Aromatherapie für Pferde?

Die Aromatherapie zählt zur Naturheilkunde. Sie ist ein Teilbereich der Phytotherapie – also der Pflanzenheilkunde – und nutzt u. a. die hochpotenten ätherischen Öle, um Körper und Psyche positiv zu beeinflussen. Dabei geht es nicht um „gutes Riechen“, sondern um biochemisch wirksame Inhaltsstoffe, die gezielt therapeutisch eingesetzt werden können.

Die Wirkung der ätherischen Öle auf den Organismus beginnt bereits beim ersten Schnuppern: Trifft ein Duftmolekül auf die Nasenschleimhaut, dockt es dort an einen spezifischen Riechrezeptor an. Dieser leitet einen Reiz in Form eines elektrischen Impulses über die Nervenleitbahnen direkt ins limbische System weiter – jener Teil des Gehirns, der für die Speicherung und Verarbeitung von Gefühlen, Emotionen, Erinnerungen, Verhalten und auch vegetative Prozesse zuständig ist.

Genau diese direkte Verbindung erklärt, warum Düfte in Sekundenschnelle Gefühle auslösen, Erinnerungen wachrufen oder körperliche Reaktionen hervorrufen können – und das nicht nur bei uns Menschen, sondern auch bei Pferden, deren Geruchssinn bekanntlich weitaus feiner ist als unserer.

Aber auch Probleme der Atemwege können durch das Riechen, das Inhalieren von Düften unterstützt werden. Außerdem haben Prof. Dr. Dr. Dr. habil. Hanns Hatt und sein Team an der Ruhr Universität Bochum 2003 nachgewiesen, dass es nicht nur in der Nase Riechrezeptoren (Chemorezeptoren) gibt, sondern auch an anderen Geweben und diese wichtige Aufgaben und Funktionen haben. Durch die Aktivierung eines solchen Rezeptors können beispielsweise die Zellen angeregt oder bestimmte Botenstoffe ausgeschüttet werden. Ein Aspekt, der das Wirkspektrum der Aromatherapie noch einmal erweitert.

Bei der Anwendung auf der Haut dringen die Inhaltsstoffe von ätherischen Ölen, Hydrolaten und Pflanzenölen in das Gewebe ein und sind im Blut nachweisbar – bei der Inhalation übrigens auch. Die Anwendung der Aromatherapie bringt also immer Mehrfachwirkungen mit sich.

Wichtig zu wissen ist, dass die Aromatherapie keine alternative Therapieform ist. Sie ist vielmehr eine komplementäre Therapie, die Hand in Hand mit anderen Methoden, wie der Schulmedizin, der traditionellen chinesischen Medizin und nahezu allen Naturheilpraktiken gehen kann und das Potenzial hat, Synergien mit ihnen zu bilden.

Richtig eingesetzt kann die Aromatherapie also die emotionale Gesundheit fördern, Stress reduzieren, das Immunsystem unterstützen oder körperliche Genesungsprozesse begleiten. Aromatherapie bedeutet in diesem Sinne nicht einfach nur „Dufttherapie“, sondern ein tiefes Verständnis für die Wirkung von Pflanzen auf allen Ebenen – körperlich, seelisch und energetisch.

Die Elemente der Aromatherapie für Pferde

Die Aromatherapie besteht aus weit mehr als nur ein paar Tropfen ätherischem Öl. Sie umfasst ein kleines Repertoire an natürlichen Substanzen, die in der richtigen Kombination auf erstaunlich vielen Ebenen wirken können.

  • Pflanzenöle – nicht nur für Spaghetti & Co.

Fette Pflanzenöle – auch Trägeröle genannt – bilden die Basis für das Verdünnen ätherischer Öle, machen sie hautverträglich und pflegen gleichzeitig intensiv. Öle und Mazerate von Jojoba, Mandel oder Johanniskraut bringen hautberuhigende und pflegende Eigenschaften mit. Sie sind unverzichtbar und enthalten Inhaltsstoffe, die auch alleine – ohne die Zugabe von ätherischen Ölen – schon ganz viel können.

  • Hydrolate – sanft, aber effektiv

Hydrolate sind die oft unterschätzten Allrounder der Aromatherapie. Sie entstehen genau wie ätherische Öle bei der Destillation von Pflanzenmaterial und enthalten die wasserlöslichen Bestandteile der Pflanze und nur ca. 0,05 - 1,5 % ätherisches Öl. Diese Tatsache macht sie sanft und dennoch äußerst effektiv. Der große Vorteil der Hydrolate: Sie können direkt und unverdünnt angewendet werden. Ob zur Pflege von Haut und Wunden oder als Umgebungsspray zur Förderung des Wohlbefindens – ihre Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig.

  • Ätherische Öle – die viel gehypten Superstars der Aromatherapie

Sie duften nicht nur wunderbar, sondern haben es auch in sich: Ätherische Öle sind hochkonzentrierte Pflanzensubstanzen mit starkem Wirkungspotenzial – weshalb sie von Aromatherapieprofis ausschließlich verdünnt angewendet werden. Ihr Wirkspektrum reicht von entspannend über antibakteriell bis entkrampfend und hautregenerierend. Richtig eingesetzt, können sie das emotionale Gleichgewicht stärken, die Regeneration fördern und das Wohlbefinden steigern. Aber: Ihre Anwendung erfordert Wissen und Sorgfalt – und davon mehr, als die meisten Menschen denken.

  • Räuchern – das Stiefkind der Aromatherapie

Oft belächelt oder vergessen, dabei uralt und kraftvoll: Beim Räuchern werden Harze, Kräuter, Blüten, Samen, Früchte und Hölzer langsam verbrannt oder erhitzt, wodurch ihre Inhaltsstoffe über den Rauch in die Umgebung abgegeben werden. Das kann die Raumluft von Krankheitserregern reinigen und desinfizieren, aber auch auf der psychischen und emotionalen Ebene für positive Effekte sorgen – vorausgesetzt, das Pferd reagiert positiv und nicht panisch auf den Rauch. Das Räuchern ist auch eine wunderbare Möglichkeit, um das Stallklima auf der feinstofflichen Ebene zu beeinflussen.

Was kann die Aromatherapie beim Pferd bewirken?

Aromatherapie kann Pferde auf vielfältige Weise unterstützen – sowohl körperlich als auch seelisch. Ihre Wirkung ist dabei nie isoliert, sondern ganzheitlich zu betrachten: Ätherische Öle und Hydrolate beeinflussen über das Riechsystem das emotionale Erleben und wirken gleichzeitig über die Haut auf körperlicher Ebene.

Ein häufiger Anwendungsbereich ist die emotionale Stabilisierung. In herausfordernden Situationen – etwa bei Transporten, Stallwechseln oder Trainingsstress – können Düfte dem Pferd helfen, in seine innere Balance zu kommen. Auch bei tiefer sitzenden Themen wie Ängsten, traumatischen Erfahrungen oder Unruhe lassen sich ätherische Öle gezielt zur Unterstützung einsetzen.

Auf körperlicher Ebene kann die Aromatherapie bei Beschwerden des Bewegungsapparates, des Verdauungstraktes, der Atemwege und der Haut eingesetzt werden. Auch das Immunsystem lässt sich durch den gezielten Einsatz bestimmter ätherischer Öle, Hydrolate und Pflanzenöle auf sanfte Weise aktivieren.

Nicht zuletzt kann auch „die Stimmung im Stall” mit Hilfe von Düften positiv beeinflusst werden. So habe ich beispielsweise von Versuchen gehört, in denen Züchter ihre Stuten mit dem Duft der Rosa Damaszener besänftigen konnten.

Entscheidend ist stets die individuell angepasste Auswahl der Mittel und die Achtsamkeit im Umgang mit dem Tier. Denn nur wenn das Pferd die Möglichkeit hat, seinen Duft selbst zu wählen und seine Reaktion immer ernst genommen wird, kann Aromatherapie ihr volles Potenzial entfalten und für das Pferd wirken.

Wie wird Aromatherapie beim Pferd angewendet?

Es gibt viele Möglichkeiten, die Aromatherapie bei Pferden anzuwenden; welche Anwendungsform man wählt, hängt natürlich von der Indikation ab. Was ist das Problem des jeweiligen Pferdes? Wo will ich eine Verbesserung erzielen? Wie kann ich es bestmöglich mit der Aromatherapie unterstützen?

Inhalation – der direkte Einfluss von Nervensystem und Atemwegen

Die Inhalation ist eine der schnellsten und effektivsten Methoden, um die Wirkung ätherischer Öle zu nutzen.

  • Schnüffelstation: Einige Tropfen eines ätherischen Öls (verdünnt!) auf ein Tuch geben und dem Pferd anbieten oder im Stall befestigen – das Tier entscheidet, ob und wie lange es riechen möchte.

  • Handinhalation: Duftmischung (Pflanzenöl + ätherisches Öl) auf die Hand geben, verreiben und dem Pferd zum Riechen anbieten.

Topische Anwendung – Berührung mit Wirkung

  • Massage: Zur Lockerung der Muskulatur, z. B. nach dem Training oder bei Verspannungen.

  • Wickel und Umschläge: Etwa bei Sehnenproblemen zur Unterstützung der Regeneration.

  • Pflegeprodukte: Zur Pflege der Haut, beispielsweise bei Ekzem und Mauke.

Egal wie und wann die Aromatherapie angewandt wird, es hat immer oberste Priorität, das Pferd einzubeziehen und seine Reaktion zu beobachten und ernst zu nehmen. Pferde kommunizieren deutlich – wir müssen nur lernen, hinzusehen und zuzuhören. Die Aromatherapie kann eine wundervolle Methode zur Unterstützung diverser Probleme sein, aber sie kann auch die Beziehung und das Vertrauen zwischen Pferd und Mensch positiv beeinflussen.

Extra-Tipp für eine Hydrolate Hausapotheke:

Es gibt vier Hydrolate, die bei mir niemals fehlen dürfen – meine persönliche Hausapotheke setzt sich aus folgenden Hydrolaten zusammen:

  • Rosenhydrolat

    Ein echtes Multitalent unter den Hydrolaten. Ich verwende es bei unterschiedlichsten Anliegen – etwa bei gereizten oder entzündeten Augen, juckender Haut, kleineren Verletzungen, wo es entzündungshemmend, schmerzlindernd und kühlend wirkt oder einfach, um das Umfeld zu harmonisieren und für ein ausgeglichenes Klima zu sorgen.

  • Orangenblüten- / Nerolihydrolat

    Mein persönliches „Erste-Hilfe-Hydrolat“, wenn es um Angst, Stress oder akute Panik geht. Dieses Hydrolat wird gerne als “das Rescue der Aromatherapie” bezeichnet. Es kann aufgewühlte und verängstigte Gemüter in Kürze beruhigen.

  • Immortellenhydrolat

    Bei stumpfen Traumen wie Prellungen oder Schwellungen greife ich zu diesem Hydrolat. Es hat sich sehr bei angelaufenen Sehnen bewährt. Hier nutze ich es gerne zum Anrühren von Tonerde. Gerne auch in Kombination mit dem Rosenhydrolat.

  • Cistrosenhydrolat

    Wenn es blutet, ist dieses Hydrolat mein Mittel der Wahl. Bei meinen – nennen wir sie liebevoll – „erfindungsreichen“ Tieren, die sich gerne mal kleinere Blessuren zuziehen, hat es mir schon oft gute Dienste erwiesen. Es unterstützt die Blutstillung und fördert die Wundheilung – ein verlässlicher Begleiter im Stall und unterwegs.

Fazit: Sanfte Unterstützung – mit Wissen und Achtsamkeit

Aromatherapie bietet eine wunderbare Möglichkeit, Pferde ganzheitlich zu begleiten – körperlich und psychisch. Ihre Wirkung ist potent, tiefgreifend und hochindividuell. So viel Potenzial, wie in den Elementen der Aromatherapie steckt, so viel Verantwortung bringt ihr Einsatz mit sich.

Die Basis jeder wirksamen und sicheren Aromatherapie ist Wissen – über die Wirkstoffe, ihre Anwendungsmöglichkeiten und vor allem über das Pferd selbst. Denn jedes Tier ist einzigartig in seiner Wahrnehmung, seinem Ausdruck und seinen Bedürfnissen.

 

Autorin: Cindy Kuhn  | Aromatherapie für Tiere

Cindy Kuhn ist Aromatherapeutin für Tiere, Pferdetherapeutin, gelernte tiermedizinische Fachangestellte sowie Ausbilderin der Aromatherapie für Tiere - online & in Präsenz. Wenn du lernen möchtest, wie du ätherische Öle, Hydrolate und Co. gezielt, sicher und im Einklang mit dem Tier einsetzen kannst, bist du herzlich eingeladen, mehr über ihre Ausbildung zur Pferde-Aromatherapie zu erfahren. Dort vermittelt sie nicht nur fundiertes Fachwissen, sondern auch das Gespür für feine Signale – damit du dein Pferd auf allen Ebenen verstehen und unterstützen kannst.

HIER geht`s zum Profil von Cindy Kuhn.

www.cindykuhn.de

Bilder: Cindy Kuhn

Zum Magazin