Mental Coaching für Turnierreiter: Umgang mit Aufregung und Prüfungsangst
Ein Beitrag von Lisa Maria Schommer | Riders Vision LLC

Die Aufregung vor einem wichtigen Turnier, das Zittern beginnt bereits auf dem Abreiteplatz oder das Gedankenkarussell sogar in der Nacht zuvor. Dadurch wird die Konzentration gestört und das Vertrauen in das eigene Können schwindet. Doch mit gezieltem Mental Coaching können Turnierreiter – egal welcher Leistungsklasse - diese Ängste überwinden und ihre Leistung auf ein neues Niveau heben.
Was passiert im Körper bei Aufregung und Prüfungsangst?
Angst und Nervosität sind natürliche Reaktionen des Körpers auf Stress. Der Puls steigt, die Atmung wird flacher, und die Muskeln spannen sich an. Diese physiologischen Reaktionen sind Teil des sogenannten „Kampf-oder-Flucht“-Mechanismus, der unseren Körper auf eine herausfordernde Situation vorbereitet. Doch wenn diese Reaktionen überhandnehmen, können sie die Kontrolle übernehmen und den Reiter in seinem Handeln einschränken.
Für Turnierreiter ist es besonders wichtig zu verstehen, dass diese Reaktionen normal sind, aber sie nicht dazu führen sollten, die Kontrolle zu verlieren. Mentale Stärke ermöglicht es, diese körperlichen Reaktionen zu kontrollieren und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: den Wettkampf und das Zusammenspiel mit dem Pferd.
Wie unsere Prägung Prüfungsangst beeinflusst
Die Art und Weise, wie Reiter mit Druck, Herausforderungen und Leistungsanforderungen umgehen, ist nicht nur eine willkürliche Reaktion unseres Unterbewusstseins, sondern wird maßgeblich durch deren Prägung beeinflusst. Bereits in der Kindheit lernen wir, wie wir mit Fehlern, Erwartungen und Bewertungssituationen umgehen – sei es durch das Schulsystem, den Umgang unserer Eltern mit Erfolg und Misserfolg oder durch gesellschaftliche Normen.
• Erlernte Angst vor Bewertung: Wer als Kind häufig kritisiert wurde oder gelernt hat, dass Fehler schlecht sind, entwickelt oft eine tiefsitzende Angst vor Bewertung. Diese kann sich im Turniersport zeigen, wenn der Reiter sich unterbewusst vor einer negativen Beurteilung fürchtet.
• Perfektionismus und Druck: Wurde Leistung in der Kindheit mit Anerkennung verknüpft, neigen viele dazu, sich übermäßigen Druck zu machen. Dies kann dazu führen, dass sich ein Turnierreiter vor einem Wettkampf in Gedanken verliert und sich selbst unter Druck setzt, anstatt sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
• Umgang mit Nervosität: Wenn Kinder lernen, dass Angst „schlecht“ oder „schwächelnd“ ist, unterdrücken sie diese Gefühle, anstatt konstruktiv mit ihnen umzugehen. Im Turnierreitsport kann das dazu führen, dass sich ein Reiter seiner Nervosität nicht stellt, sondern sie ignoriert – wodurch sie sich unkontrolliert äußert.
Die gute Nachricht ist: Auch wenn unsere Prägung tief verwurzelt ist, können wir sie durch gezieltes Mentaltraining umprogrammieren.
Mental Coaching: Der Schlüssel zur Kontrolle von Aufregung und Angst
Hier kommt das Mental Coaching ins Spiel. Es bietet Turnierreitern Werkzeuge und Techniken, um mit Ängsten und Nervosität umzugehen und ihre Konzentration zu schärfen. Im Coaching werden unter anderem Methoden aus folgenden Bereichen angewendet, die es möglich machen den Geist zu beruhigen und das Selbstvertrauen zu stärken:
• Visualisierung: Diese Technik hilft, mentale Bilder von positiven Erlebnissen und erfolgreichen Wettkämpfen zu schaffen. Reiter stellen sich die gesamte Prüfung vor, von der Vorbereitung über das Einreiten bis hin zum erfolgreichen Abschluss. Dies stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und reduziert die Angst vor dem Unbekannten.
• Atemtechniken: Der Körper reagiert auf Stress mit flacher Atmung. Das bewusste Ein- und Ausatmen hilft, den Körper zu entspannen und die Kontrolle zurückzugewinnen.
• Positive Selbstgespräche: Oft sind es die negativen Gedanken, die unsere Ängste verstärken. Indem Reiter bewusst positive, ermutigende Sätze denken oder laut aussprechen, können sie ihren Geist auf Erfolg programmieren und sich von der Angst befreien.
• Achtsamkeit: Achtsamkeit ist eine Methode, sich im gegenwärtigen Moment zu verankern und nicht in Ängsten oder negativen Gedanken zu versinken. Eine einfache Übung besteht darin, sich bewusst auf die eigenen Sinne zu konzentrieren – etwa die Geräusche, den Geruch der Umgebung oder das Gefühl des Sattels.
Nachbereitung: Die Prüfung reflektieren und daraus lernen
Nach einem Turnier ist es essenziell, die Prüfung bewusst Revue passieren zu lassen. Diese Reflexion hilft, Erfolge anzuerkennen, Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren und mit den erlebten Emotionen konstruktiv umzugehen.
Eine effektive Methode ist die Videoanalyse: Falls die Prüfung gefilmt wurde, können Reiter die Ritte gemeinsam mit ihrem Coach oder Reitlehrer analysieren. Dies ermöglicht eine objektivere Sicht auf die eigene Leistung und hilft, festzustellen, ob das eigene Gefühl mit der tatsächlichen Performance übereinstimmt.
Zusätzlich ist es wertvoll, die Prüfung mit dem Reitlehrer oder einem Mentalcoach zu besprechen. Dabei geht es nicht darum, sich selbst zu kritisieren, sondern um eine wertschätzende Analyse:
• Was lief gut? Welche Momente haben sich souverän und sicher angefühlt?
• Wo gab es Herausforderungen? Gab es Stellen, an denen Nervosität oder Unsicherheiten spürbar waren?
• Wie war die emotionale Reaktion? Wie hat sich der Reiter vor, während und nach der Prüfung gefühlt?
Durch dieses engmaschige Supporter-Netz aus Reitlehrer, Coach und eventuell anderen Turnierreitern fühlen sich Reiter nicht allein mit ihren Erlebnissen. Sie erhalten konstruktives Feedback und können mit mehr Selbstvertrauen in die nächste Prüfung gehen.
Wie man mit Rückschlägen umgeht
Im Wettkampf kann nicht immer alles nach Plan laufen. Misslungene Elemente oder Fehler während der Prüfung können zu Frustration oder Angst führen. Doch Mental Coaching lehrt, dass Rückschläge nicht das Ende bedeuten, sondern vielmehr eine Gelegenheit zur Weiterentwicklung sind. Durch eine positive Einstellung und das Annehmen von Fehlern können Reiter lernen, aus Misserfolgen zu wachsen, anstatt sich von ihnen entmutigen zu lassen.
Ein wichtiger Bestandteil des Mental Coachings ist es, den Reitern zu helfen, eine resiliente Haltung zu entwickeln, bei der Fehler als Lernchancen wahrgenommen werden und nicht als Beweis für Versagen.
Die Vorteile von Mental Coaching für Turnierreiter
Mental Coaching ist ein wertvolles Werkzeug für Turnierreiter, um die Kontrolle über ihre Ängste und Nervosität zu erlangen. Durch gezielte Übungen können Reiter ihre Aufregung in den Griff bekommen, ihre Konzentration steigern und ihre Leistung optimieren. Es geht nicht nur darum, die richtige Technik zu beherrschen, sondern auch darum, das richtige Mindset zu entwickeln.
Turnierreiter, die an ihrer mentalen Stärke arbeiten, sind besser in der Lage, mit den Herausforderungen von Turnieren oder auch Trainingseinheiten außerhalb der Komfortzone umzugehen, und sind auf lange Sicht erfolgreicher. Mental Coaching kann daher einen entscheidenden Unterschied machen – nicht nur im Wettkampf, sondern auch in der Beziehung zwischen Reiter und Pferd.
Autorin: Lisa Maria Schommer | Riders Vision LLC
Lisa Maria Schommer ist zertifizierte Mental Coachin für Angstreiter und Pferdemenschen und zertifizierte Tierpsychologin. Im Jahr 2023 hat sie ihre Ausbildung zum EQUIPSYCH® Reitcoach erfolgreich abgeschlossen und bildet sich kontinuierlich in den Bereichen Bodenarbeit und horse speak fort.
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Bilder: Lisa Maria Schommer