Rumpfigkeit bei Pferden: Warum nicht alle Pferde gleich satt werden – und wie man richtig füttert
Ein Beitrag von Merle Andresen | Unabhängige Beraterin für Pferdefütterung

Als mobile Beraterin für Pferdefütterung sehe ich häufig, dass bereits bei der Entscheidung über die richtige Menge an Raufutter Unsicherheiten entstehen. Viele Pferdebesitzer fragen sich, warum ihr Pferd entweder immer hungrig zu sein scheint oder trotz einer angemessenen Ration zu viel an Gewicht zulegt. Die Antwort auf diese Fragen liegt oft in einem wenig beachteten Detail: der Rumpfigkeit des Pferdes.
Pferde haben je nach Rasse und Körperbau unterschiedliche Bauchformen. Diese individuelle Rumpfform bestimmt, wie viel Rohfaser benötigt wird, um ein Pferd zu sättigen, und wie effizient es Nährstoffe aus dem Futter verwerten kann. Wenn man die Rumpfigkeit des eigenen Pferdes versteht, ergeben viele Aspekte der Fütterung plötzlich Sinn – und häufig lassen sich dadurch Fütterungsprobleme lösen, die zuvor für Verwirrung sorgten.
Was ist Rumpfigkeit und warum spielt sie eine Rolle in der Fütterung?
Die „Rumpfigkeit“ eines Pferdes beschreibt die Form der Rippenbögen sowie die Kapazität des Verdauungstraktes. Diese Merkmale sind nicht nur optische Unterschiede, sondern beeinflussen stark, wie ein Pferd Nahrung aufnimmt und verdaut.
Rundrumpfige Pferde:
Typische Vertreter dieser Gruppe sind Haflinger, Tinker, Isländer oder Norweger. Sie zeichnen sich durch eine breite und tiefe Bauchform aus, was bedeutet, dass sie einen größeren Verdauungstrakt haben. Diese Pferde haben nicht nur mehr Platz im Verdauungssystem, sondern auch eine deutlich ausgeprägtere Darmflora, die ihnen erlaubt, Rohfaser extrem effizient zu verwerten. Das bedeutet, dass sie auch aus geringeren Mengen Futter viele Nährstoffe und Energie gewinnen können. Daher neigen sie oft zu Übergewicht, wenn ihre Fütterung nicht kontrolliert wird. Sie benötigen viel Rohfaser für die Sättigung, allerdings in Form von energiearmen Futtermitteln (Meyer & Coenen, 2014).
Schmalrumpfige Pferde:
Pferde wie Vollblüter haben häufig einen schmalen Rippenbogen und damit einen kleineren Verdauungstrakt. Ihr Darmlumen ist schneller gefüllt, wodurch sie weniger Futter benötigen, um satt zu werden. Schmalrumpfige Pferde benötigen oft hochwertiges, aber leicht verdauliches Futter, um ihre Nährstoffbedürfnisse zu decken, ohne riesige Mengen an Rohfaser aufnehmen zu müssen (Harris, 1999).
Achtung: Rasse allein reicht nicht aus!
Es gibt jedoch auch schmalrumpfige Isländer oder rundrumpfige Vollblüter. Die Rasse allein ist also kein sicheres Merkmal für die Rumpfigkeit eines Pferdes. Auch innerhalb einer Rasse können die Formen des Rumpfes variieren. Daher ist es wichtig, jedes Pferd individuell zu betrachten und sich nicht nur auf rassetypische Annahmen zu verlassen.
Wie erkenne ich die Rumpfigkeit meines Pferdes?
Als Besitzer kannst du die Rumpfigkeit deines Pferdes ganz leicht selbst feststellen. Stell dich direkt vor das Pferd und sieh dir die Form des Körpers an, besonders im Bereich des Brustkorbs und der Rippenbögen.
- Rundrumpfige Pferde fallen durch eine deutliche Rundung des Rippenbogens auf. Diese Pferde wirken auch seitlich sehr breit.
- Schmalrumpfige Pferde haben einen engeren, weniger ausgeprägten Rippenbogen und wirken von vorne betrachtet deutlich schmaler.
- Mittelrumpfige Pferde haben eine mittlere, gleichmäßige Rundung, die zwischen diesen beiden Extremen liegt.
Wichtig: Bei der Beurteilung der Rumpfigkeit geht es nicht darum, ob ein Pferd übergewichtig oder normalgewichtig ist. Ein rundrumpfiges Pferd kann schlank sein, ebenso wie ein schmalrumpfiges Pferd übergewichtig sein kann. Es geht einzig um die Form des Rippenbogens und des Brustkorbs, die man auf den ersten Blick erkennen kann, wenn man das Pferd von vorne betrachtet.
Wie funktioniert die Sättigung beim Pferd wirklich?
Ein weitverbreiteter Irrtum ist, dass Pferde durch die Anzahl der Kauschläge satt werden. Oft wird angenommen, dass langes Kauen ein Zeichen von Sättigung ist. Tatsächlich ist es jedoch die Füllung des Darmlumens, die den entscheidenden Einfluss auf das Sättigungsgefühl hat.
Rohfaser als Sättigungsfaktor:
Rohfaser ist der wichtigste Faktor, um den Darm zu füllen und Sättigung zu erreichen. Besonders bei rundrumpfigen Pferden dauert es länger, bis der größere Verdauungstrakt vollständig gefüllt ist. Die größere Menge an Rohfaser sorgt dafür, dass sie aus der Faser eine hohe Menge an Energie und Nährstoffen aufnehmen – was bedeutet, dass sie häufig zu Übergewicht neigen.
Schmalrumpfige Pferde dagegen erreichen schneller ein Gefühl der Sättigung, da ihr kleinerer Verdauungstrakt schneller gefüllt ist. Allerdings wird hier oft vergessen, dass diese Pferde zwar weniger fressen, dadurch aber höherwertiges Futter benötigen, da ihre Fähigkeit, Nährstoffe aus der Rohfaser zu extrahieren, begrenzt ist. In beiden Fällen sind Kauschläge für die Verdauung wichtig, aber nicht der primäre Sättigungsfaktor (Clauss et al., 2014).
Fütterung nach Rumpftyp: Wie erkenne ich, was mein Pferd braucht?
Um die richtige Fütterung für ein Pferd zu finden, ist es wichtig, die individuelle Rumpfform zu berücksichtigen und anzupassen:
- Rundrumpfige Pferde: Diese Pferde benötigen mehr Rohfaser, um ihr großes Darmlumen zu füllen. Allerdings sollten die Futtermittel energiearm sein, da diese Pferde Nährstoffe und Energie besonders effizient aus Rohfaser extrahieren. Zu viel Energie im Futter führt schnell zu Übergewicht. Stroh ist eine ideale Ergänzung zum Heu, um das nötige Volumen zu bieten, ohne zusätzliche Kalorien zuzuführen. Rundrumpfige Pferde profitieren von langen Fresszeiten, um den Verdauungstrakt durchgehend zu beschäftigen. Dabei darf die Strohmenge in der Gesamtration nicht mehr als 1/3 ausmachen, da sonst Verstopfungskoliken drohen.
- Schmalrumpfige Pferde: Diese Pferde brauchen kleinere, aber hochwertigere Futterrationen. Sie werden schneller satt, da ihr Darmlumen schneller gefüllt ist, müssen aber häufiger kleine Portionen fressen, die ihrem Bedarf entsprechen.
- Mittelrumpfige Pferde: Diese Pferde benötigen in der Regel weniger Anpassung. Eine gute Rohfaserversorgung und ein angepasstes Mineralfutter decken den Bedarf meist gut ab. Auch hier gilt: Den täglichen Bedarf des Pferdes ermitteln, schauen, was im Heu enthalten ist, und gezielt durch ein Mineralfutter ergänzen, ist oft der Schlüssel zu einem vitalen Pferd.
Gesundheitliche Risiken bei falscher Fütterung
Wenn die Rumpfigkeit eines Pferdes nicht berücksichtigt wird, kann das schnell zu gesundheitlichen Problemen führen:
- Übergewicht bei rundrumpfigen Pferden: Aufgrund ihrer Fähigkeit, auch aus rohfaserreichen Futtermitteln viel Energie zu ziehen, sind rundrumpfige Pferde häufig von Übergewicht betroffen. Das Risiko für Hufrehe und EMS (Equines Metabolisches Syndrom) steigt, wenn diese Pferde zu energiereiches Futter bekommen. Hier ist es wichtig, besonders auf die Kalorienzufuhr zu achten und gezielt mit energiearmen Futtermitteln zu arbeiten (Meyer & Coenen, 2014).
- Mangelerscheinungen bei schmalrumpfigen Pferden: Schmalrumpfige Pferde sind weniger effizient in der Nährstoffverwertung und können Schwierigkeiten haben, ihren Energiebedarf zu decken, wenn sie nur rohfaserreiches, aber energiearmes Futter bekommen. Insbesondere in kalten Monaten kann das zu Gewichtsverlust führen. Hier ist eine zeitnahe Rationsanpassung wichtig, um Defizite auszugleichen (Harris, 1999).
Fazit: Die richtige Fütterung beginnt mit dem Verständnis der Rumpfigkeit
Die Fütterung eines Pferdes sollte stets auf seine individuellen Bedürfnisse angepasst werden – und die Rumpfform spielt dabei eine entscheidende Rolle. Rundrumpfige Pferde benötigen viel Rohfaser, aber wenig Energie, während schmalrumpfige Pferde häufiger Raufutter mit höheren Energie- und Proteinwerten in kleineren Mengen brauchen. Wer die Rumpfigkeit seines Pferdes versteht, kann die Fütterung optimal anpassen und gesundheitliche Probleme wie Über- oder Untergewicht vermeiden.
Autorin:
Merle Andresen | Unabhängige Beraterin für Pferdefütterung
www.futterberatung-andresen.de
Quellen:
- Meyer, H., & Coenen, M. (2014). Pferdefütterung: Grundlagen und aktuelle Erkenntnisse. Verlag Paul Parey.
- Harris, P. (1999). Feeding the Horse: Nutrition and Health. J.A. Allen.
- Clauss, M., Kienzle, E., & Hummel, J. (2014). Influence of Fibre Fermentation on the Digestive Efficiency in Horses. Journal of Equine Nutrition, 20(2), 145-158.